Montag, 4. Februar 2013

"Liebe unter Fischen" von René Freund


Begeisterung für so viel von allem! Österreich- und Deutschlandhassliebe im Zerrspiegel des Protagonisten Fred Firneis, die Technik- und Modernismusverachtung, die auf einer Abhängigkeit basiert wird thematisiert, Geld vs. Kunst, Natur vs. Ökonomie, Identität vs. Schein, Leben vs. Tod. Und das alles auf wenig mehr als zweihundert Seiten in einem prosaischen Kammerspiel auf den Punkt gebracht.

Zugleich kann  sich auch der nach bloßer Unterhaltung sehnende Leser ergötzen am schwarzen Humor von René Freund, der als Autor nicht im Vordergrund steht sondern einzig und allein die Geschichte. Diese wird perspektivisch immer wieder gebrochen. Wir bekommen die unterschiedlichen Sichtweisen der handelnden Personen serviert und auch Briefverkehr (der hier noch tatsächlich einer ist) dürfen wir verfolgen.

Sind wir nicht alle ein bisschen Firneis – mit mehr oder weniger unausgeschöpftem Kreativitätspotential, in Sinn- und Schaffenskrisen, die wir uns alle mal in Berghütten ohne Strom zurückziehen sollten. In Klausur gehen, back to nature sind die Modelifestileworte unserer schnelllebigen Generation die alles erleben und nichts verpassen will und dabei natürlich sich selbst bzw. das eigene Ich verliert.

Alfred („Fred“) Firneis macht diesen ganzen Zirkus seiner allseits vernetzten Umgebung nicht mit. Er, der Exil-Wiener, würde lieber in Neukölln als in seinem immer hipper werdenden, von der Latte-Macciatofizierung immer schwerer betroffenen Kreuzberg wohnen – wären da nicht die Strapazen, die ein Umzug bedeuten würde. Allein all die leeren Weinflaschen!

Firneis ist der Spitzweg-Poet im Dachkämmerchen, der sich um die Welt nicht schert, ja sogar Angstzustände bekommt wenn er sie betritt.

Umso besser dass ihm seine Verlegerin Susanne Beckmann die Familienferienhütte in den Voralpen anbietet um dort sein System runterzufahren (wie schon im Krankenhaus mit seinem Herzschlag geschehen). Gewünscht ist natürlich, dass er wieder Gedichte schreibt denn von seinen Gedichten lebt der kleine Verlag von Susanne Beckmann – ein Lyriker als vertragstragender Autor, wenn das nicht skurril ist – wo gibt es denn sowas?

In der Abgeschiedenheit in Angesicht des Bergsees geht Firneis in „Grünbach am Elbsee“ in Klausur. Zunächst genervt von der Anti-Zivilisation gewöhnt er sich immer mehr an das reduzierte Leben um dann eines schönen Tages seines vierwöchigen Sommeraufenthalts Mara zu begegnen. Wer ist Mara? Eine Elfe, eine Zauberfrau, ein Fischweib? Nein, sie ist eine Forscherin, angehende Biologie-Doktorin aus der Slowakei mit Doppel-S-Fehler, die sich um das Verhalten der Elritze, einer vom Aussterben bedrohten Süßwasserbinnengewässerfischart schert. Balz von Fischen und das Balzverhalten erwachsener Menschen des 21. Jahrhunderts – was hat es gemeinsam? Nicht viel möchte man meinen, denn Menschen haben immerhin den Vorteil der Sprache. Mit diesem Ausdrucksmittel hadert wiederum Firneis, was alles ziemlich kompliziert macht: Gedichte schreiben ja oder nein, das ist hier die Frage.

Ob Mara als Muse fungiert muss der Leser nun herausfinden. Werden sich die pragmatisch-bezaubernde Biologin und der schrullige Dichter kriegen?

Natürlich wäre das alles fast schon eine Liebesschnulze, wenn der Roman nicht mit einem Twist überraschen würde, mit einer Plot-Wendung, die so nicht zu erwarten war.

Eine Dreiecks- (bisweilen Vierecks-) -geschichte entspinnt sich, die das Allzumenschliche mit dem Perfiden vereint. Das ist natürlich konstruiert – aber gut, sehr gut konstruiert und in die Geschichte passend.

Ich kenne Daniel Glattauers Bücher nicht, mit dem auf der Klappentextbauchbinde geworben wird, aber wenn man die Autoren miteinander vergleicht so werde ich den wohl auch unbedingt lesen müssen.

Chapeau, Herr Freund!! Bitte mehr davon!!
Vielen herzlichen Dank an vorablesen.de und Deuticke für das Leseexemplar.

Meine Ausgabe:
Verlag: Deuticke
Erscheinungsjahr: 2013
Seiten: 206
ISBN:  978-3-552-06209-2

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