Mittwoch, 11. Dezember 2013

"Lord Stonevilles Geheimnis" von Sabrina Jeffries


Historische Regency-Romane, also solche, die nicht während der Regency-Zeit, sondern eben in unserer Zeit geschrieben worden sind, sind ein Phänomen und erfreuen sich einer großen (v.a. weiblichen) Leserschaft. Warum nur, möchte man sich fragen, möchte man dem hundertsten Lord Sowieso qua Lektüre zusehen wie er sich auf 300 Seiten distanziert und doch nahbar gibt bis er endlich die begehrte Herzensdame von niederem Stand geehelicht hat. Schließlich kommt ja auch nichts an das Vorbild Jane Austen heran - ihre 6 erhalten gebliebenen Romane sind das Nonplusultra wenn es um die Darstellung der englischen Landadelswelt im frühen 19. Jahrhundert und deren Heiratspoltik geht, die sich vor allem auf Bällen in englischen Herrenhäusern abspielt. 
Während im angloamerikanischen Raum solche Romane meistens mit äußerst kitschigem 80er Jahre-Cover präsentiert werden auf denen in grellen Farben meistens ein gemaltes Paar im Wind steht (wobei der oftmals langhaarige Herr ein weißes offenes Hemd trägt), mögen es die deutschsprachigen Leser solcher Romane etwas dezenter, meist mit einer in Regency-Kleidung abgebildeten Frau (freilich von hinten bzw. ohne erkennbares Gesicht). Der Lyx-Verlag bringt die Bücher dieses Genres in einer hochwertigen Aufmachung mit Klappenbroschur raus, auch das Cover sieht edel aus und der Leser denkt sich bei dem Anblick einer solch hochwertigen "Verpackung" sicher: das ist bestimmt ein gutes Buch. 
Nun ja, ob die Bücher von Sabrina Jeffries als "gute Literatur" zu bezeichnen sind ist freilich Ansichtssache. Ich würde sagen, die im Original sechsteilige Reihe um die 5 Adelsgeschwister von "Halstead Hall", deren erster Teil "Lord Stonevilles Geheimnis" ist, ist eher als klischeehaft und Erotikzentriert zu betrachten. Der Anfang des Romans hat mir noch ganz gut gefallen, es wurde mit einigem Witz und auch einer Portion Dramatik die Situation der Sharpes ausgeführt. Die 5 Nachkommen der Dynastie Sharpe inklusive des Erben des Titels eines Lord Stoneville, Oliver, die seit zwei Jahrzehnten keine Eltern mehr haben, werden von ihrer bürgerlichen Großmutter mit einem Ultimatum beglückt: entweder jeder von ihnen heiratet binnen eines Jahres oder sie werden enterbt. Gut dass just in diesem Moment die attraktive Amerikanierin Maria in London aufschlägt - sie sucht nach ihrem Verlobten, der in England Geschäfte machen wollte und nicht mehr aufgetaucht ist. Lord Stoneville macht mir ihr einen Deal: er will dass sie seiner Familie die Braut vorspielt - zunächst... Natürlich entwickeln die beiden eine verhängnisvolle Leidenschaft füreinander, aber Lord Stoneville macht Maria deutlich, dass er kein Mann für die Liebe ist... Maria versucht ihn zu verändern - und blickt dabei immer mehr hinter die Kulissen der Familie und entdeckt sogar das dunkle Familiengeheimnis...
Aus diesem Stoff hätte man viel machen können - prekäre Situationen innerhalb von "Halstead Hall", Eavesdropping-Szenen, noch viel Handlungselemente, in denen die Standesunterschiede thematisiert werden. Leider kommen diese Themen viel zu kurz und es zentriert sich alles um die Beziehung von Oliver Sharpe und der Amerikanerin Maria, die einfach nur ständig miteinander ins Bett wollen. Ach ja und das dunkle Familiengeheimnis, das den mysteriösen Lord verfolgt, gibt es ja auch noch...
Obwohl der Anfang nicht schlecht war ist der Roman, wie mir scheint, einfach dazu da das Verlangen nach Erotikszenen beim Leser zu stillen...die - sehr klischeehafte - Handlung baut sich um diese Szenen herum auf. Wahrscheinlich ist dieses Genre überhaupt deswegen enstanden, weil derartige Szenen in echten Regency-Romanen ausgespart sind (und das ist auch gut so). Natürlich sind solche Romane vorhersehbar, aber wenn es wenigstens gut geschrieben wäre wäre das ja nicht so tragisch. Der Plot neigt zu unfreiwilliger Komik - wer solche Art von sinnfreier pseudohistorischer Unterhaltung mag (ich mag sie manchmal, aber in diesem Fall nicht), der kann ja mal einen Blick in das Buch bzw. die ganze Reihe riskieren. Vielleicht wird die Handlung (jedes Buch ist einem der Geschwister gewidmet) in den folgenden Büchern besser, man soll die Hoffnung ja nie aufgeben... Vielleicht sind die Charaktere der anderen Geschiwster (eine Romanautorin, eine "ungezogene" Lady die gerne schießt) interessanteres Material als der platte "Ich kann nicht anders, ich muss die Frauen verführen, aber ich kann nicht lieben und ich bin dark und brooding"-Lord Stoneville.
Aber die Aufmachung des Buches ist wirklich schön...

Meine Ausgabe:
Verlag: Egmont Lyx
Erscheinungsjahr:  2012
Original: The Truth about Lord Stoneville (2010)
Seiten: 400
ISBN: 3802586735

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